Auf dem Holzweg

 

Baden-Württemberg rief Ende 2018 als Bundesland mit der größten Waldfläche die sogenannte „Holzbau-Offensive“ aus: Die dortige Landesregierung kündigte in diesem Rahmen an, Wohn- und Verwaltungsgebäude in Holzbauweise fördern zu wollen. In den Folgejahren gewann der bislang eher unauffällige Werkstoff im deutschen Hausbau zunehmend an Bedeutung. Doch vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Klimawandels ist es alles andere als sinnvoll, verstärkt auf einen Wandbildner zu setzen, dessen Bestände ohnehin seit Jahren schwinden – sei es aufgrund von Hitze- und Dürreperioden oder Krankheitsbefall. In einem Video-Interview erklärt László Maráz (Forum Umwelt und Entwicklung, Berlin), dass der deutsche Wald eigentlich eine Ruhepause braucht. Stattdessen wird dieser jedoch zunehmend „vom Klimaschützer zum Patienten“.

 

Deutsche Bestände können den erhöhten Holzbedarf kaum decken, sodass ein Großteil des Baumaterials auf ausländische Importe zurückzuführen ist – verbunden mit langen Transportwegen zu Wasser sowie zu Lande. Der „Ackerbau mit Bäumen“ ist somit zu einem internationalen Problem geworden. Eine aktuelle Video-Dokumentation über die schwedische Forstwirtschaft zeigt beispielsweise, dass in Schweden nur acht bis zehn Prozent des 23 Millionen Hektar großen, „produktiven“ Waldes unter Naturschutz stehen. Der Rest wird seit den 1950er Jahren kahlgeschlagen. Aber wofür? Experten erläutern, dass nur 16 Prozent des gewonnenen Rohstoffes im Hausbau zum Einsatz kommen – die restlichen 80 bis 85 Prozent werden entgegen Behauptungen schwedischer Werbekampagnen nicht zu klimafreundlichen Produkten weiterverarbeitet. Stattdessen wird Holz vor allem als „Bio-Treibstoff“ genutzt und gelangt somit als CO2 wieder in die Atmosphäre.

 

 

Zudem entstehen bereits beim Holzabbau hohe Mengen an Kohlenstoffdioxid – mehr als bei der Verbrennung von Kohle. Doch nicht nur hier: Auch nach Lebensende eines Wohngebäudes wird das CO2, welches im Holz zwischengespeichert ist, bei einer fast immer unumgänglichen thermischen Entsorgung wieder in die Luft abgegeben. Die Massivbauweise schneidet während der Lebensphase eines Gebäudes im Vergleich zu Holz-Leichtbauten deutlich besser ab. Dies belegt eine Studie der Life Cycle Engineering Experts (Darmstadt). Demnach verbraucht ein Mehrfamilienhaus aus massivem Mauerwerk nach 80 Jahren Lebensdauer bis zu 40 Tonnen weniger CO2 als eines aus Holz.

 

Nachfolgend finden Bauprofis faktenbasierte Studien, Broschüren und Videos, die verdeutlichen, dass Holz für schnelles, wirtschaftliches und vor allen Dingen nachhaltiges Bauen oft nicht die richtige Lösung ist.

 

Videos

Schweden betreibt „Ackerbau mit Bäumen"

In der Video-Dokumentation "More of Everything" beschäftigen sich Wissenschaftler und Experten mit der schwedischen Forstwirtschaft. Diese schlägt seit den 1950er Jahren kontinuierlich einen Großteil des "produktiven" Waldes kahl. Dass aus dem gewonnenen Rohstoff klimafreundliche Produkten entstehen, ist laut Experten ein Mythos.

 


 

Der Wald braucht eine Ruhepause

László Maráz koordiniert die Dialogplattform Wald im Forum Umwelt und Entwicklung. Der renommierte Umweltexperte bewertet die Situation in den deutschen Wäldern nach den sogenannten „Kalamitätenjahren“ 2018 und 2019 ein. Durch die lange Trockenheit verbunden mit Bränden und Insektenbefall wurde der Wald derart geschädigt, dass allein in diesen zwei Jahren Schadholz in der Größenordnung einer planmäßigen Jahresholzernte (70 Mio. Festmeter Holz) angefallen ist. Maráz erteilt Forderungen nach einer Steigerung der Einschlagsmenge eine klare Absage. „Sonst wird der Wald vom Klimaschützer zum Patienten.“

 


 

Auf die Nutzungsphase kommt es an

Dr. Sebastian Pohl ist Mitglied der Geschäftsleitung der LCEE, Life Cycle Engineering Experts GmbH (www.lcee.de). Die Experten für Nachhaltigkeit beraten Bauherren. Im Interview stellt Dr. Pohl die wesentlichen Ergebnisse seiner Untersuchungen zum Einfluss der Mauerwerksbauweise auf das nachhaltige Bauen dar und vergleicht die Untersuchungsergebnisse mit den an Musterhäusern ermittelten Daten zur Holzbauweise.

 


 

Alle Bauarten führen über 50 Jahre betrachtet zu vergleichbarem CO2-Ausstoß

Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner ist Lehrstuhlinhaber am Institut für Massivbau der TU Darmstadt. Das Institut hat im Auftrag der Mauerwerksindustrie eine Studie der Ruhr-Universität Bochum (RUB-Studie) untersucht, die behauptet, die Holzbauweise würde im Vergleich zur Mauerwerksbauweise zu CO2-Einsparungen von bis zu 50 % führen. Leider wurden in der RUB-Studie die durch die Bundesregierung vorgegebenen Randbedingungen nicht beachtet, so dass verfälschte Ergebnisse errechnet wurden. Für Prof. Graubner ist erwiesen: „Wissenschaftlich lässt sich konstatieren, dass sämtliche Bauarten bei korrekter Betrachtung der politisch vorgegebenen Randbedingungen zu etwa dem gleichen CO2-Ausstoß über 50 Jahre führen.“

 

Studien

Broschüren

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